Kulturakademie Tarbya: Open Call für Stipendien

Wie wird das Nachtleben in Istanbul zum Zeichen von Identität und Solidarität? In einem Interview reflektieren Yelta Köm und Ulya Soley über ihr türkisch-deutsches Koproduktionsstipendium: von künstlerischer Forschung bis zur 'Sound Kitchen'. Erfahren Sie, was sie erlebt haben und wie Sie sich für den Open Call für Tandem-Residenzen bewerben können.

19. Dezember 2024

A Djane is playing in a light shady room

DJ* spielt in der Sound Kitchen beim Sommerfest der Kulturakademie Tarabya 2024 © Canberk Ulusan

Projektbeschreibung

Kulturakademie Tarabya

Die türkisch-deutschen Koproduktions-Stipendien der Kulturakademie Tarabya Istanbul sind ein einzigartiges Residenzprogramm für Tandems von Künstler*innen und Kulturschaffenden aus der Türkei und Deutschland. Den Stipendiat*innen soll der Aufenthalt in Tarabya zur Inspiration und Weiterentwicklung ihrer Arbeit dienen. Die Kulturakademie – malerisch gelegen auf dem Gelände der historischen Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Tarabya, auf der europäischen Seite Istanbuls – wurde 2011 vom Deutschen Bundestag gegründet. Sie wird von der Deutschen Botschaft in Ankara betrieben, die kuratorische Verantwortung trägt das Goethe-Institut. 

Interview

Lernen Sie Yelta Köm und Ulya Soley kennen, die aktuellesten Türkisch-Deutschen Koproduktionsstipendiat*innen an der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.

In diesem Jahr habt ihr das Türkisch-Deutsche-Koproduktionsstipendium angetreten. Wie geht es euch, und wie war das Jahr?

"Wir waren von Februar bis Mai 2024 Tarabya-Koproduktionsstipendiat*innen. In dieser Zeit haben wir gemeinsam zum Thema Nachtleben als Widerstand und zur Erfahrung der Nacht als solche gearbeitet. Das Stipendium bot uns eine wertvolle Plattform, um unsere Forschung zu vertiefen und die Ergebnisse zu teilen: So erschien ein umfangreicher Artikel im CTM-Magazine, und wir konnten weitere Beiträge für die Online-Plattform Manifold verfassen. Zum Abschluss des Stipendiums organisierten wir in Zusammenarbeit mit der Initiative Queerwaves im Rahmen des Sommerfests der Kulturakademie Tarabya eine eintägige Veranstaltung mit dem Titel „Sound Kitchen“. Diese fand in der ehemaligen Küche der Tarabya-Residenz statt, die in einen gemütlichen Safe Space umgestaltet wurde. Dort spielten Resident-DJs von Queerwaves verschiedene Sets, begleitet von Videokunstwerken von Yelta.

Unsere Forschung ist noch nicht abgeschlossen, aber eines steht fest: Das Nachtleben in Istanbul dient der queeren Community seit langem als eine Form des Widerstands, besonders angesichts der politischen Veränderungen und des repressiven Klimas der letzten 20 Jahre. Die Nacht gibt den Menschen Kraft und schafft Raum, um Identitäten auszudrücken. Die Resilienz queerer Musiker*innen, Performer*innen und Veranstalter*innen inspiriert auch viele andere, insbesondere mit Blick auf die enorme Solidarität über verschiedene Arbeitsbereiche hinweg. Trotz der zunehmenden Einschränkungen der letzten Jahrzehnte blieb das Nachtleben immer erreichbar. Clubs öffnen und schließen, wirtschaftliche und politische Krisen kommen und gehen, doch das Nachtleben in Istanbul findet immer einen Weg, standzuhalten."

Wie war es, in Tarabya zu arbeiten, mitten in der Metropole Istanbul, in bewegten Zeiten? Was macht diesen Ort so besonders?

"Abseits des Trubels der Stadt bot uns Tarabya die Möglichkeit, uns ganz auf unser Projekt zu konzentrieren. Obwohl wir uns mit dem Nachtleben im Zentrum Istanbuls beschäftigten, war es wichtig, einen Ort zu haben, an dem wir Abstand nehmen und reflektieren konnten. Der Wald, der die Residenz umgibt, war eine ideale Umgebung, um den Kopf freizubekommen, und die Nähe zum Bosporus eine wohltuende Erfahrung. Die regelmäßigen Dienstags-Treffen in Tarabya gaben uns die Gelegenheit, uns mit den anderen Stipendiat*innen auszutauschen und inspirierende Gespräche mit eingeladenen Kulturschaffenden zu führen. Diese Treffen waren eine große Bereicherung. Gleichzeitig konnten wir uns weiter in unsere Forschung vertiefen und das Nachtleben Istanbuls erleben."

“Clubs öffnen und schließen, wirtschaftliche und politische Krisen kommen und gehen, doch das Nachtleben in Istanbul findet immer einen Weg, standzuhalten”

Gab es besondere Herausforderungen oder Einsichten in eurer Zusammenarbeit?

“Da einer von uns in Berlin und die andere in Istanbul lebte, basierte unsere Zusammenarbeit bisher hauptsächlich auf Google-Docs. Die Residenz gab uns die Möglichkeit, endlich persönlich zusammenzuarbeiten, was eine völlig neue Dynamik schuf und unsere Fortschritte deutlich beschleunigte. Die größte Herausforderung bestand darin, gemeinsam eine klare Richtung für unsere Forschung zu finden. Wir hatten ähnliche Materialien gelesen und diskutiert, doch beim gemeinsamen Schreiben mussten wir uns zuerst auf die unterschiedlichen Ansätze einstellen, die wir jeweils mitbrachten. Mit der Zeit fanden wir dann aber unseren Weg, zusammenzuarbeiten und unsere Ideen weiterzuentwickeln. Das physische Teilen eines Raums war für uns einfach entscheidend, um neue Impulse zu setzen.”

Wie geht es weiter?

"Unser Ziel ist es, unsere Forschung über eine Online-Plattform und eine Raum-Installation zugänglich zu machen, die sich im Laufe der Zeit durch die Beiträge weiterer Personen weiterentwickeln soll. Es ist nicht einfach, die Nacht als Erfahrung in eine künstlerische Form zu übersetzen, doch wir sehen großes Potenzial für weitere künstlerische Interventionen und vertiefte Forschung.
Individuell setzt Yelta seine Arbeit als Künstler fort, bleibt an der Bauhaus-Universität in Weimar und kooperiert mit verschiedenen Gruppen und Kollektiven. Ulya arbeitet weiterhin als Kuratorin am Pera-Museum und entwickelt derzeit ein neues Ausstellungsprojekt."

A Djane is playing in a light shady room

DJ* el1fkk während ihrer Performance in der Sound KItchen © Canberk Ulusan

People moving and dancing in a light shady pink coloured room

Die Sound Kitchen von Yelta Köm und Ulya Solev © Canberk Ulusan

People are sitting on green grass on the grounds of the Academy - it is summer

Gäste während des Sommerfestes der Kulturakademie Tarabya 2024 © Canberk Ulusan

A picture of the old building of the the Academy

Die Kulturakademie Tarabya © Canberk Ulusan

A DJ couple is standing behind the turntables and plays music in the night

Eine Musikperformance während des Sommerfestes der Kulturakademie Tarabya 2024 © Canberk Ulusan

Über die Stipendiat*innen und die Akademie

Yelta Köm

Yelta Köm verbindet architektonische, künstlerische und räumliche Praktiken, um soziale und politische Themen zu diskutieren. Sein Werk ist inspiriert von Umweltwahrnehmung, urbanen Bildern, neoliberalen Transformationen, Spannungen zwischen Natur und Technologie, kollektiven Bewegungen und Migration. Zusammenarbeit ist ein zentraler Bestandteil, der verschiedene Methoden und Materialien umfasst. Köm studierte an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität Yıldız und an der Städelschule, Frankfurt. Er ist Mitbegründer von Herkes İçin Mimarlık, einer gemeinnützigen Organisation, die soziale Probleme architektonisch angeht. Seine Arbeiten wurden weltweit auf Biennalen, in Museen und Kunstinstitutionen ausgestellt. Köm hält auch Vorträge, unter anderem am Deutschen Architektur Museum in Frankfurt und HKW in Berlin. Er lebt in Berlin.

A portrait of Yelta Köm

Yelta Köm © private

A portrait of Ulya Soley

Ulya Soley © Nadir Sönmez

Ulya Soley

Ulya Soley arbeitet als Kuratorin und Herausgeberin im Pera Museum, Istanbul. Sie hat einen Master in Kultur, Kritik und Kuratierung von Central Saint Martins College – University of the Arts London und einen Bachelor in Kunstgeschichte und Psychologie von der McGill University, Montreal. Zu ihren jüngsten Projekten gehören ‘Souvenirs of the Future’ und ‘A Question of Taste’ im Pera Museum, ‘all familiar, all foreign’ im Versus Art Project und ‘How shall we dress for the occasion?’ im 601 Artspace, New York. Soley hat für verschiedene Kunstpublikationen wie Texte zur Kunst, Art Agenda und Manifold gearbeitet.

Tarabya: die historische Sommerresidenz

Die historische Sommerresidenz des deutschen Botschafters befindet sich im ehemaligen Kurort Tarabya, der heute zur Metropole Istanbul gehört. Das Anwesen war ein Geschenk des osmanischen Sultans Abdul Hamid II (1842-1918). Im Jahr 1880 schenkte er es dem Deutschen Reich. Das Anwesen hat daher bis heute den Status eines Botschaftsgeländes. Im vorderen Teil befinden sich zehn Gebäude, hauptsächlich im Stil türkischer Sommerhäuser (yali), und der deutsche Soldatenfriedhof. Die Kulturakademie ist in der ehemaligen Botschaftskanzlei untergebracht, wo sich fünf Künstler*innenwohnungen befinden. Zwei weitere Wohnungen und Ateliers wurden in der ehemaligen Kutschenremise eingerichtet. Mehr Informationen.
 

A beautiful pitoresque white coloured old builidng is pictured.

Kulturakademie Tarabya © Elif & Baris

Ein Foto von Maja Göpel

Unser neuer Fellow Maja Göpel: Mutiges Wissen und beherztes Wollen verbinden

Foto von Idil Baydar wie sie mit einem Duden im Arm eine Grimasse schneidet.

Unser neuer Fellow Idil Baydar: mit kritischen Fragen und Humor den Integrationsalptraum zerschlagen

Makan Fofana

Unser neuer Fellow Makan Fofana: Mastermind des Turfurism

Four women are sitting in a park on a blanket and are watching and learning while one of them is showing them how to spin.

Vier Monate in Tarabya

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ASSEMBLED: Performance & Wahllokal der Zukunft

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"On the Vastness of our Identities" – Fotoausstellung zu afro-europäischen Identitäten

Die Allianz Foundation Fellows

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